Großfund bei der Kampfmittelräumung

Gefunden Kampfmittel liegen auf sandigem Boden
© Tegel Projekt GmbH
01.07.2022     |
Onlineredaktion Berlin TXL

Seit Mai 2021 führt die Tegel Projekt GmbH Kampfmittelräumungen im Osten des früheren Flughafens Berlin-Tegel durch, um die Entwicklung des neuen Schumacher Quartiers vorzubereiten. In den letzten Tagen konnten die Experten des Räumdienstes einen Großfund bergen: 61 bleiummantelte Artillerie-Granaten aus der Zeit zwischen 1875 und 1905, darunter mehrere 28-cm-Großgranaten, traten bislang zutage; weitere Funde werden erwartet. Die zusammen knapp 6.300 kg schweren Geschosse wurden von der Berliner Polizei zum Sprengplatz Grunewald verbracht, um sie sicher zu entschärfen.

„In wenigen Wochen starten wir mit den ersten Verfahren für die Grundstücksvergaben im Schumacher Quartier; und bis die Verträge unterschriftsreif sind, werden auch die letzten Relikte militärischer Vergangenheit beseitigt sein. Bis dahin heißt es, hier gründlich aufzuräumen“, sagt Gudrun Sack, Geschäftsführerin der Tegel Projekt GmbH. „Kampfmittelfunde sind in Berlin leider noch immer gang und gäbe, und es ist höchste Zeit, sich von diesen gefährlichen Altlasten zu trennen. Wir kommen jeden Tag ein Stück weiter voran, um allen Beteiligten einen sicheren Baustart zu ermöglichen.“

Alexander Döring, Feuerwerker und Bauleiter der Kampfmittelräumung in Berlin TXL: „Der aktuelle Fund ist für mich einmalig in dieser Größenordnung. Bei den Granaten handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um Kriegsmunition. Sie wurden vielmehr von der preußischen Armee zu Testzwecken genutzt: mit unterschiedlichen Sprengstoffen und auch anderen Materialien, einige auch mit Erbsen, gefüllt, um die Funktionalität verschiedener Geschütze zu erproben. Der genaue Inhalt aller Einzelstücke ist unbekannt. Wir haben sie vermutlich deshalb gesammelt an einem Ort, in 2 m Tiefe, gefunden, weil man damals nicht lagerungsfähige Munition in Trichtern verbrannt hat, um sie unschädlich zu machen.“

Zwischenbilanz nach 14 Monaten

Die Tegel Projekt GmbH führt seit nunmehr 14 Monaten Kampfmittelräumungen in prioritären Bereichen des führen Flughafens Tegel durch. Bislang sind ca. 200.000 m2 beräumt. 110.000 m3 Erde wurden dafür bewegt, was ungefähr 4.400 Lkw-Ladungen entspricht. 5.650 Stück abgabepflichtige Munition – v.a. Granaten, Brandbomben und Nahkampfmittel – mit einem Gewicht von 10.400 kg, wurden gefunden, außerdem ca. 65.000 kg Munitionsschrott.

Die Räumung der Baustellenzufahrt am Kurt-Schumacher-Damm ist abgeschlossen. Bereiche im ersten Bauabschnitt des künftigen Schumacher Quartiers werden bis Jahresende kampfmittelfrei sein. Die Maßnahmen im Zufahrtsbereich zur Urban Tech Republic, von der General-Ganeval-Brücke aus kommend, ruhen aufgrund der derzeitigen Nutzung der Terminalgebäude als Ankommenszentrum für geflüchtete Menschen aus der Ukraine.

Hintergrund – Warum ist das Gebiet munitionsbelastet?

Das Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel war ab ca. 1780 ein Artillerie-Schieß- und Übungsplatz des preußischen Heeres. Ab 1930 fanden hier Raketenversuche statt. Im Zweiten Weltkrieg diente es als Truppenübungsplatz und Standort von Flugabwehrgeschützen. Zwar war der Bereich kein ausgewiesenes Angriffsziel der Alliierten, jedoch war Berlin-Tegel aufgrund kriegswichtiger Industrieanlagen Ziel von ca. 80 Luftangriffen. So ist davon auszugehen, dass das Gebiet im Zeitraum von 1940 bis 1945 mehrfach durch Spreng- und Brandbomben der Royal Air Force getroffen wurde. Zudem gab es hier mehrere Bodenkämpfe mit entsprechenden Gräben und Deckungen. Nach Kriegsende wurden Bombentrichter, Erdlöcher oder Splittergräben mit dem häufig kampfmittelbelasteten Bauschutt zerstörter Gebäude verfüllt. Ebenso wurde Munition, die nicht abtransportiert werden konnte, hier abgelagert und vergraben.

Aufgrund der Blockade im Jahre 1948 und der schnellstmöglichen Errichtung von Landebahnen auf diesem Gebiet wurden vor Aufnahme des Flugbetriebs keine Kampfmittel geräumt. Punktuelle Räumungen fanden zwischen 1968 und 1981 statt. Testfelduntersuchungen in den Jahren 2004 und 2005 ergaben, dass das Areal kampfmittelbelastet ist, jedoch ohne Eingriff in den Boden keine unmittelbare Gefährdung für den Flugbetrieb ausgeht. Seit dieser Zeit wird das Flughafengelände systematisch geräumt.

Wie läuft die Kampfmittelräumung in Berlin TXL ab?

Der Boden wird zunächst mit Metalldetektoren systematisch abgesucht, dann schichtweise abgetragen und in einer Separierungsanlage sorgsam untersucht. Bei Flächen, die keine Anomalien aufweisen, wird der Boden je nach Nutzungserfordernis zwischen 30 und 160 cm ausgehoben. Verdachtsgebiete werden bis zu einer Tiefe von sechs Metern abgetragen. Sind die dort möglicherweise vorgefundenen Kampfmittel transportfähig, verbringt sie die Polizei zum Sprengplatz Grunewald. Sind sie es nicht, werden sie an Ort und Stelle entschärft oder gesprengt. Der anfallende Erdaushub wird auf der ehemaligen südlichen Landebahn sowie im Bereich des künftigen Schumacher Quartiers gelagert. Nach bestätigter Unbedenklichkeit und erfolgter Kampfmittelfreigabe wird der Aushub direkt in die Räumfläche eingebracht oder für andere Bereiche auf dem Projektgebiet verwertet. Kontaminierter Boden wird ordnungsgemäß entsorgt.

Hinweis

Die Grün Berlin GmbH, die auf den nördlichen und westlichen Flächen des früheren Flughafen-Areal den Landschaftsraum der Tegeler Stadtheide entwickelt, führt gegenwärtig ebenfalls Kampfmittelräumungen durch. Für diesbezügliche Fragen wenden Sie sich bitte an presse@greun-berlin.de.

Kontakt

Tegel Projekt GmbH

Urban Tech Republic, Gebäude V
Flughafen Tegel 1
13405 Berlin